Afrika: „Schlechte Nachrichten lassen sich besser verkaufen als gute“
Kriege, Krisen, Katastrophen und Krankheiten – über Afrika liest man vor allem negative Schlagzeilen. Für die meisten Medien rücken diese vier Ks automatisch in den Fokus, weil sich ihrer Ansicht nach schlechte Nachrichten besser verkaufen, weil die Mediennutzer sich für keine anderen Geschehnisse interessieren und weil Afrika so weit weg ist. Die Arbeitsbedingungen für Journalisten sind schwierig. Ein Interview

Frau Liebrich, was waren ihre ersten Erfahrungen, die sie als Journalistin in Südafrika gemacht haben?
Mit Anfang 30 habe ich bei der dpa gekündigt, um mich neu zu orientieren. Ich wollte nach Afrika, aber dpa wollte das keinesfalls – angeblich zu gefährlich für eine Frau. Also bin ich auf eigene Faust gegangen. 1998 habe ich ein zweimonatiges Praktikum bei der Zeitung Business Day, einer Tochter der Financial Times, in Johannesburg gemacht. Südafrika war für mich spannend; ich wollte sehen, wie das Land den Umbruch nach dem Ende der Apartheid bewältigt. Mein Plan war es auch, zu sondieren, ob ich mich als freie Journalistin in Südafrika etablieren kann, aber das erschien mir dann doch zu schwierig. Heute bin ich froh, dass ich mich dagegen entschieden habe. Die meisten deutschen Medien haben ihr Korrespondentennetz stark ausgedünnt. Es ist schwierig, als freier Journalist auf dem afrikanischen Kontinent finanziell über die Runden zu kommen.
Woran könnte das Ihrer Meinung nach liegen?
Afrika steht seit einigen Jahren nicht mehr im Fokus. Wir haben den Boom in China, der die Machtverhältnisse in der Welt verschiebt, dann haben wir die Finanzkrisen, durch die Europa und Amerika seit fast zehn Jahren schlittern. Darauf konzentriert sich die Berichterstattung. Zugleich mussten auch die Verlage sparen. Die Stellen in Afrika gehörten mit zu denen, die zuerst gestrichen wurden.
Hat denn die SZ heute noch Korrespondenten in Afrika?
Ja, wir haben einen Korrespondenten vor Ort, Tobias Zick, der in Nairobi stationiert ist und von dort aus den Kontinent bereist und beobachtet. Die SZ gehört damit zu den wenigen deutschen Zeitungen, die das überhaupt noch machen.
Aber ist es nicht dennoch ziemlich wenig, einen einzigen Korrespondenten für einen so großen Kontinent einzusetzen? Kann ein Journalist allein eine entsprechende Berichterstattung überhaupt leisten?
Natürlich ist das zu wenig. Afrika ist ein riesiger Kontinent mit mehr als 50 Ländern. Schon die kulturellen Unterschiede innerhalb der Länder sind gewaltig. Nur wenige Themen schaffen es da bis in die europäischen Medien.

Stattdessen beschäftigen die Zeitungen hier in den Heimatredaktionen dann Journalisten, die – so wie Sie – Afrika aus der Ferne beobachten?
Das ist dann die zweitbeste Lösung. Bei mir hat sich das ergeben. Ich interessiere mich für den Kontinent, reise auch privat gern dorthin. Ich habe Erfahrungen und Kontakte. Deshalb bot es sich an, dass ich auch in der SZ-Wirtschaftsredaktion ein Auge darauf habe. Ein Schwerpunkt sind dabei Rohstoffe, die es in vielen afrikanischen Ländern reichlich gibt. Wenn ich vor Ort bin, nutze ich die Gelegenheit, um Reportagen zu schreiben, etwa über den Kakao-Anbau in Elfenbeinküste, seine Umweltauswirkungen und welche Rolle die Regierung dabei spielt. Solche Reisen sind aber die Ausnahme, öfter als einmal pro Jahr gelingt mir das meist nicht.
Wie gelangt man da an verlässliche Informationen, wenn man einen Großteil der Arbeit vom Schreibtisch aus leisten muss?
Man muss selbst ein Gefühl dafür entwickeln, welche Themen gerade relevant sind. Das ist dank neuer Medien wie Twitter inzwischen einfacher als noch vor ein paar Jahren. Zum Beispiel folge ich der südafrikanischen Oppositionsführerin Helen Zille, da bekommt man einen ganz guten Eindruck, was gerade in dem Land diskutiert wird. Für die wirtschaftliche Lage sind etwa die Weltbank, die Afrikanische Entwicklungsbank, Unternehmensberatungen und UN-Organisationen wichtige Quellen. Für Recherchen vor Ort muss man aber immer etwas mehr Zeit einkalkulieren, das ist manchmal im Tagesgeschäft ein Problem.
Warum ist es so schwierig, an diese Informationen zu gelangen?
Meistens brauche ich Informationen gleich. Und in vielen afrikanischen Ländern dauert es einfach länger, einen Gesprächspartner zu bekommen. Wenn das nicht gelingt, muss ich ausweichen und mir einen Experten in Deutschland suchen. Für Wirtschaftsthemen ist der Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft eine Anlaufstelle. Eine wichtige Quelle sind auch die NGOs. Allerdings sind Informationen aus dritter Hand immer mit Vorsicht zu genießen, jeder hat da seine eigene Agenda. Das macht die Einschätzung aus der Ferne schwierig.
Man muss auf jeden Fall immer mehrere Quellen haben und prüfen, ob das gesagte plausibel sein kann. Optimal ist es natürlich, wenn ich mit unserem Afrika-Korrespondenten zusammenarbeiten kann, wie etwa vor einiger Zeit beim Thema Landraub. Er war in Äthiopien und konnte direkt einordnen, ob das, was NGOs, Banken und andere zur Lage sagen, auch wirklich stimmt. Eine Reportage aus einem Land sagt meist mehr als zig Studien, Fakten und Zahlen.
Was halten Sie persönlich von der Berichterstattung in den Medien zum Thema „Afrika“? Wird Ihrer Meinung nach zu wenig darüber berichtet?
Die Berichterstattung konzentriert sich sehr einseitig auf bestimmte Themenfelder. Einmal sind es Bürgerkriege und andere kriegerische Auseinandersetzungen, dann sind es Hungersnöte, aber vom normalen Leben erfährt man fast gar nichts. Auch weil das nicht gefragt ist. Schlechte Nachrichten verkaufen sich eben besser als gute. Das ist oft nicht der Fehler der Korrespondenten vor Ort, sondern häufig die Einschätzung der Heimatredaktionen.
Und warum ist das so?
Weil ihnen vieles zu weit weg ist und uninteressant erscheint. Beispiel Ruanda: 1994 gab es dort einen fürchterlichen Völkermord, bei dem bis zu eine Million Menschen getötet wurden. Das war eines der heftigsten Ereignisse der Neuzeit in Afrika überhaupt. Der Genozid hat monatelang die Medien beherrscht. Doch danach ist das Land schnell von der Medienbildfläche verschwunden. Dabei ist es interessant zu erzählen, wie dieses Land nach der Katastrophe den Neuanfang geschafft hat. Heute gilt Ruanda als eines der afrikanischen Vorzeigeländer, obwohl es dort kaum Rohstoffe gibt. Aber das wird dann nicht weiterverfolgt und es ist schwierig, Ruanda überhaupt ins Blatt zu bringen. Über andere Länder ist hierzulande fast gar nichts bekannt. Ein Grund dafür ist auch, dass Afrika insgesamt wirtschaftlich gesehen im weltweiten Vergleich keine große Rolle spielt. Rohstoffe dominieren die Ökonomie und dann kommt lange nichts.
Welche Rolle spielen kulturelle, ethnische oder historische Hintergründe bei der Afrika-Berichterstattung?
Da gibt es ja so etwas wie den Fluch des Kontinents: Seine schwierige Vergangenheit, die natürlich immer eine Rolle spielt. Erst die Sklaverei, dann die gnadenlose Ausbeutung der Ressourcen durch die Kolonialmächte, dann von heute auf morgen die Entlassung in eine Unabhängigkeit, auf die kein Land wirklich vorbereitet wurde. Soziale, ökonomische, politische Strukturen sind weggebrochen und davon hat sich ein Teil der afrikanischen Staaten bis heute nicht erholt. Es verändert sich nur langsam etwas zum Besseren. Seit einigen Jahren gilt Afrika sogar als Kontinent der Hoffnung und des Aufschwungs – nicht zuletzt dank seiner Rohstoffvorkommen. Auch hier muss man vorsichtig sein bei der Bewertung. Die meisten Länder schaffen es bis heute nicht, ein vernünftiges Wachstum und Wohlstand zu generieren – Afrika ist bis heute gefangen in einem Teufelskreis aus Armut und Korruption. Um den zu durchbrechen braucht es viel Zeit und Geduld.
Das Gespräch wurde im Vorfeld der Fachtagung „Afrika 3.0 – Zerrbilder im Wandel“ geführt.
Veranstaltung vom 21. Juni 2013 in Dortmund zum 15jährigen Bestehens des Vereins und der Zeitschrift „Africa Positive“ am Europäische Journalismus-Observatorium (EJO)
Link: Fachtagung „Afrika 3.0“: Zerrbilder im Wandel
Vortrag: Afrika und seine Wirtschaft: „Hoffnungsloser Fall oder aufstrebende Macht?“
PDf zum Herunterladen unter Afrikaswirtschaft