Sofies verkehrte Welt

Gensoja im Futter: Die fadenscheinigen Ausreden der Geflügelwirtschaft

Die deutsche Geflügelwirtschaft mag nicht mehr. Sie will nicht länger gentechnikfrei produzieren, angeblich weil es nicht mehr genügend normales Sojafutter gibt. Doch dieses Argument ist fadenscheinig, es lässt sich einfach widerlegen. Für Verbraucher ist der Ausstieg ein fatales Signal, das dem angekratzten Image der Branche nur noch mehr schadet. Anstatt zu jammern, müssen Geflügelhalter endlich die Verantwortung für ihre Produktionskette übernehmen – und die beginnt auf den Sojafeldern Südamerikas.

Geflügelhaltung in Massen: Tausende Tiere leben auf engstem Raum. Dank Soja-Futter erreichenn sie bereits nach gut einem Monat ihr Schlachtgewicht.   Foto: sia
Geflügelhaltung in Massen. Tausende Tiere leben auf engsten Raum. Dank Soja-Futter erreichenn sie bereits nach gut einem Monat ihr Schlachtgewicht. Foto: sia

Mit dieser Ankündigung hat der Branchenverband ZDG in den vergangenen Wochen nicht nur viele Verbraucher aufgeschreckt, sondern auch einige seiner Verbandsmitglieder irritiert: „Geflügelwirtschaft kann GVO-freie Sojafütterung nicht fortsetzen“.  Dafür nennt der Verband zwei Gründe, zum einen sei nicht genügend konventionelle Ware verfügbar oder sie sei so stark mit gentechnisch-verändertem Soja verunreinigt, dass die Toleranzmenge überschritten sei. Deshalb fühlten sich die Produzenten nicht länger an ihr Versprechen gebunden, gentechnikfrei zu füttern, schließlich wollten sie sich nicht dem Vorwurf der Verbrauchertäuschung aussetzen.

Diese Schwarzmalerei ging dann doch selbst einem der größten deutschen Eierlieferanten zu weit. An eine Umstellung sei nicht zu denken, betonte etwa die Deutsche Frühstücksei GmbH (Stellungnahme). Auch andere Firmen wollen weiterhin ohne Gensoja auskommen.

Bei einer Analyse des weltweiten Sojamarktes wird rasch deutlich: Der Geflügelwirtschaft geht es bei ihrem Vorstoß weniger um den Schutz ihrer Kunden, sie will vor allem ihre Gewinne zu maximieren. Normales Soja ist erheblich teurer als Gentech-Ware, zeitweise um bis zu 30 Prozent. Es stimmt, das der Anteil von GVO-Soja weltweit deutlich gestiegen ist. Er macht inzwischen 95 Prozent des Gesamtmarktes aus. Das bedeutet jedoch nicht, dass weniger konventionelle Ware angebaut wird als in den Vorjahren. Die Anbaufläche für Soja hat sich in den vergangenen Jahren insgesamt vervielfacht. Grund ist der wachsende Fleischhunger. Soja im Futter treibt nicht nur Hühner, sondern auch  Schweine, Rinder und andere Nutztiere zu Höchstleistungen an. Wichtigste Lieferanten sind die USA, Brasilien und Argentinien.

[box] Kaum ein Hähnchen landet bei uns noch als ganzes auf dem Tisch. Viel lieber kaufen die Bundesbürger nur Brust oder Keule. Die Reste werden exportiert, etwa nach Afrika. Frontal 21 berichtet…[/box]

Agrarhändler bestreiten jedoch, dass es Lieferengpässe bei gewöhnlichem Soja gibt. Länder wie Brasilien reagieren inzwischen auf die steigende Nachfrage nach gentechnikfreier Ware, die vor allem aus Europa kommt – und bauen mehr an. Von den 90 Millionen Tonnen, die das Land 2013 produziert hat, wurden 14 Millionen Tonnen als GMO-freie Ware angeboten. Diese Menge wird gesondert geerntet, gelagert und transportiert. Wenn der deutsche Geflügelverband über verunreinigte Chargen klagt, muss das andere Gründe haben. Brancheninsider stellen diese Aussage ohnehin in Frage. Verunreinigungen mit Gensoja seien eine seltene Ausnahme, kontern sie.

Anstatt jedoch Ursachenforschung zu betreiben, wählt die Geflügelwirtschaft den bequemsten Weg, in dem sie auf Gentech-Futter setzt. Damit erweckt sie den Eindruck, dass es ihre egal ist, woher ihre Rohstoffe kommen, unter welchen Bedingungen diese hergestellt werden und welche Risiken damit verbunden sind. Was Konsumenten wollen, scheint ebenfalls keine Rolle zu spielen. Die meisten Europäer lehnen Gentechnik im Essen ab. Dass Gentechnik im Futtertrog trotzdem erlaubt ist, ärgert viele Verbraucher. Eine wachsende Anzahl von Menschen ist es eben nicht egal, wie Lebensmittel hergestellt werden und wer am Ende die Kosten dafür tragen muss.

Geboren, um zu sterben: Männliche Küken werden in der Legehennezucht nicht gebraucht - und landen im Schredder.   Foto: fotolia
Geboren, um zu sterben: Männliche Küken werden in der Legehennezucht nicht gebraucht – und landen im Schredder. Foto: Piotr Marcinski/Fotolia.com

 

Dass es auch anders geht, zeigt andere Beispiele aus der Lebensmittelindustrie: Schokoladenhersteller, die lange Zeit wegen Kinderarbeit und Raubbau an der Natur in der Kritik standen, versuchen ihre gesamte Produktionskette bis in die Kakaoplantagen fairer und umweltfreundlicher zu gestalten. Sie schließen langfristige Lieferverträge mit Erzeugern und unterstützen Kleinbauern mit Know-how. Diese Strategie zahlt sich auch wirtschaftlich aus, Qualität und Ernteerträge steigen.

Auch die Geflügelindustrie ist immer wieder Zielscheibe massiver  Kritik. Ob es nun um den hohen Einsatz von Antibiotika in der Hühnermast oder das massenhafte Töten männlicher Küken in der Legehennen-Haltung geht, die negativen Folgen einer  expandierenden Massentierhaltung lassen sich nicht wegzudiskutieren.

Klagen hilft da nichts. Wenn die Geflügelwirtschaft verlorenes Vertrauen zurückgewinnen will, muss sie endlich Verantwortung für ihre Produktionskette übernehmen  – und die beginnt auf den Sojafeldern Südamerikas. Weiter geht es damit, welche Futtermittel zum Einsatz kommen, wie Tiere gezüchtet und gehalten werden. Kritisch hinterfragen müssen die Produzenten auch die Bedingungen unter denen Billigarbeitskräfte in Schlachthöfen schuften müssen. Viel zu lange hat die Branche nur auf Wachstum gesetzt und andere wichtige Ziele dabei vernachlässigt.

 

Veröffentlicht am 2. März 2014 auf sofies-verkehrte-welt.de