Die Argumente der Zuckerindustrie und was Verbraucherschützer dazu sagen
Die Zuckerlobby sieht keinen Zusammenhang zwischen Übergewicht und dem hohen Zuckerkonsum von Erwachsenen und Kindern. Sie weist die Vorwürfe der Weltgesundheitsbehörde WHO zurück. Verbraucherschützer widersprechen.

Zucker sei sogar unverzichtbar für eine ausgewogenen Ernährung, heißt es etwa auf der Homepage des deutschen Zuckerverbandes WVZ (Wirtschaftliche Vereinigung Zucker). Auf der Seite stellt der Verband die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema Zucker und Ernährung aus seiner Sicht dar. Ernährungsexpertin Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg kommentiert diese Argumente:
Zuckerverband: Kohlenhydrate sind lebensnotwendig, da der Körper sie als Energiequelle für seinen Stoffwechsel braucht.
Verbraucherschützerin: Das stimmt, aber es kommt auf die Art der K0hhlenhydrate an. Und es sollten überwiegend Kohlenhydrate in Form von Stärke sein, die z.B. in Kartoffeln, Nudeln oder Haferflocken enthalten ist. Zucker sollten nur in Maßen, laut WHO 5% der Kalorienmenge, gegessen werden.
Zuckerverband: Der durchschnittliche Pro-Kopf-Absatz von Zucker/Saccharose in Deutschland ist seit 40 Jahren stabil und liegt bei rund 35 Kilogramm pro Jahr.
Verbraucherschützerin: Das ist nicht richtig, denn es wird nur der sogenannte „Haushaltszucker“ berechnet. Zucker kommt aber zunehmend in Form von Glukosesirup, Maltodexdrin oder anderen Zuckerarten in Lebensmitteln vor, dieser zunehmende Anteil wird von der Zuckerlobby verschwiegen.
Zuckerverband: Es gibt keine wissenschaftliche Evidenz, die belegt, dass der Konsum zuckerhaltiger Lebensmittel für die Entstehung von Übergewicht verantwortlich ist.
Verbraucherschützerin: Das stimmt nicht. Zahlreiche Studien zeigen, dass ein hoher Verzehr von Lebensmitteln mit viel Kalorien einer der Faktoren für Übergewicht ist, so dass Fachgesellschaften und Gesundheitsorganisationen weltweit sowohl für Erwachsene als auch für Kinder empfehlen die Energiedichte/Kaloriengehalt von Lebensmitteln zur Gewichtskontrolle zu reduzieren. Zuckerhaltige Lebensmittel haben in der Regel eine hohe Energiedichte.
Zuckerverband: Übergewicht ist die Folge eines Ungleichgewichts von Kalorienaufnahme und Kalorienverbrauch.
Verbraucherschützerin: Ja und dieses Ungleichgewicht wird durch Zucker verstärkt, denn Zucker trägt wesentlich zur Energieaufnahme bei und hat einen geringen Sättigungswert, so dass man nach einem gesüßten Schokoriegel schnell wieder Hunger verspürt.
Zuckerverband: Zucker wie auch andere einzelne Makronährstoffe sind im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung nicht für Übergewicht und andere Krankheiten verantwortlich. Dementsprechend entbehren Werbeverbote bzw. diskriminierende Sondersteuern auf zuckerhaltige Lebensmittel jeder Grundlage. Steuern oder Werbeverbote machen nicht schlank.
Verbraucherschützerin: Aktuell wird europaweit über eine Steuer diskutiert (z.B. Gesundheitsbehörden in Großbritannien), um die Übergewichtsepedemie einzudämmen. Werbeverbote, z.B. in Fernsehsendungen für Kinder oder das Verbot von Online-Spielen mit Süßigkeiten, beeinflusst das Ernährungsverhalten von Kindern, da sie nicht zwischen Werbung und Realität unterscheiden können. Studien zeigen, dass werbefreie Lebenswelten (z.B. Kita und Schule) bei Kindern zu einem gesünderen Ernährungsverhalten führen. Sind an jeder Ecke Süßigkeiten erhältlich bzw. werden diese beworben (z.B. Fernsehen, Print, Web 2.0), dann greifen sie eher zu.
Zuckerverband: Die Behauptung, Zucker könne süchtig machen, hält einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand. Die Annahme beruht u. a. darauf, dass nach Zuckerverzehr im Gehirn der Botenstoff Dopamin ausgeschüttet wird. Eine Dopaminausschüttung ist aber nicht nur nach dem Verzehr von etwas Schmackhaftem wie Zucker, sondern in Folge aller „natürlichen Belohnungen“ messbar. Zudem gibt es wesentliche Unterschiede zwischen dem Reaktionsmuster des Gehirns auf Drogen und dem auf „natürliche Belohnungen“.
Verbraucherschützerin: Auch darüber wird zurzeit verstärkt diskutiert, die Abgrenzung zwischen Sucht und „natürlichen Belohnungen“ durch Zucker ist fließend. Hier ist mehr Forschung nötig. Die Ernährungsabhängigen Krankheiten durch zuviel Zucker kosten Milliarden und führen zu großen persönlichem Leid. Es wäre angemessen in diesem bereich mehr zu forschen und die Studien nicht durch Geld der Zuckerlobby zu finanzieren.
[box] Überzuckert: Wie die Lebensmittelindustrie Kinder verführt. Die Ankündigung der WHO, die maximal empfohlene Menge für die tägliche Zuckerration um die Hälfte zu senken, war längst überfällig. Immer mehr Kinder sind zu dick. Nun ist die Lebensmittelindustrie am Zug. Sie muss nicht nur ihre Rezepturen ändern, sondern auch ihre aggressive Werbung für Kinder einstellen. weiterlesen…. [/box]
Links:
Wirtschaftliche Vereinigung Zucker – Verein der Zuckerindustrie
Weltgesundheitsorganisation (WHO)