Sofies verkehrte Welt

Ebola und andere Katastrophen – Alltag in Goma

Im Kongo ist Ebola 1976 weltweit zum ersten Mal entdeckt worden. Seither hat das Land ein halbes Dutzend Epidemien erlebt und meistens schnell in den Griff bekommen. Die Menschen haben sich daran gewöhnt mit der Seuche zu leben. Szenen aus dem Alltag in Goma:

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Alltag in Goma: Die Menschen haben sich an Ebola gewöhnt. Der Schrecken hat im Kongo viele Gesichter. Die meisten Menschen sterben an simplen Infektionskrankheiten und nicht an der Seuche. Foto: hage

„Ja, ja Ebola“

Freitag morgen, Lagebesprechung der Sicherheitsbeauftragten in Goma. 400 Kilometer nördlich der Provinzhauptstadt im Osten des Kongo haben Milizen mehrere Dutzend Menschen mit Macheten abgeschlachtet. In Goma musste ein Student sein Leben lassen, weil er sich weigerte, sein Handy zu geben, als ihn eine Bande Jugendlicher überfiel. Einbrecher haben das Haus eines einheimischen Angestellten einer Hilfsorganisation geplündert und dessen Frau vergewaltigt. Ein Arzt wurde entführt, als er mit dem Minibus in ein abgelegenes Dorf fahren wollte, um die Menschen dort zu behandeln. Alltag in der Provinz Nord Kivu.

Die Sitzung geht dem Ende zu, da fällt dem Vertreter der Vereinten Nationen noch etwas ein: „Sagt Euren Fahrern, dass sie kein Wild jagen sollen unterwegs. Ihr wisst ja, das ist gerade verboten“. Seufzen macht die Runde. „Ja, ja, Ebola“, mokiert sich einer.

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Männer quälen sich mit dem Transport von Wasser-Kanistern oder anderen Lasten auf Fahrrädern oder dem für Goma typischen hölzernen Roller, dem Tschukudu. Foto: hage

Jede Woche beraten die Sicherheitsbeauftragten der humanitären Organisationen,  in welcher Gegend die Helfer noch arbeiten können, und wo es zu gefährlich geworden ist, wo mal wieder kein Durchkommen ist mit dem Jeep, weil eine Brücke weggebrochen ist, oder der Regen die Piste in ein Schlammbad verwandelt hat. Ziemlich oft empfangen sie abends Kollegen, die völlig verstört sind, weil ihnen unterwegs im Wald jemand die Kalaschnikow an den Kopf gehalten hat, um Handy, Geld oder Laptop zu ergaunern. Und da sollen sie über Ebola nachdenken?

Die Seuche ist 1500 Kilometer entfernt in der Provinz Equateur ausgebrochen. Das passiert öfter. Im Kongo ist Ebola 1976 weltweit zum ersten Mal entdeckt worden. Seither hat das Land ein halbes Dutzend Epidemien erlebt, und meistens schnell in den Griff bekommen. Denn es gibt im riesigen Kongo nur wenige passable Pisten. Die Menschen in dem unwegsamen Land so groß wie Westeuropa reisen kaum, so dass Seuchen in der Regel lokal begrenzt bleiben.

Dieses Mal registriert das Gesundheitsministerium 68 Kranke in einer abgelegenen Region und 49 Tote. Bis auf weiteres sind keine neuen Infektionen bekannt. Wenn es ein paar Tage lang so bleibt, erklärt die Regierung die Epidemie für beendet.

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Private wie staatliche Unternehmer bezahlen im Ostkongo nur unregelmäßig. Korruption und Misswirtschaft fressen die Löhne auf, bevor die Arbeitnehmer auch nur einen Cent gesehen haben. Foto: hage

„Und trotzdem sollen wir nicht jagen, hier, weit weg von Equateur“, schimpft einer der Sicherheitsbeauftragten in Goma. Wie soll er das seinen Fahrern beibringen? Sie sind auf den Braten aus dem Wald angewiesen, denn Fleisch auf dem Markt ist zu teuer für sie. Außerdem bringt das erlegte Wild willkommene Zusatzeinnahmen, um Schulgeld, Medizin oder Beerdigungen zu bezahlen.

Zwei Drittel der Menschen in Nord Kivu müssen mit weniger als zwei Dollar pro Tag auskommen. Das Land belegt den vorletzten Platz des Entwicklungsindex der Vereinten Nationen. Nur der Wüstenstaat Niger schneidet schlechter ab. Selbst Universitätsprofessoren in Goma beschäftigt eher die Frage, woher sie das Schulgeld für ihre Kinder bekommen sollen, als die Furcht vor Ebola. Private wie staatliche Unternehmer bezahlen im Ostkongo nur unregelmäßig.  Korruption und Misswirtschaft fressen die Löhne auf, bevor die Arbeitnehmer auch nur einen Cent gesehen haben.

In der Redaktionssitzung des Kommunalradios Tayna in Goma kommt dann doch plötzlich die Diskussion über Ebola auf. Jemand hat ein Foto auf Facebook gestellt. Es zeigt eine blutende Frau, die gestorben ist. Der Kommentar suggeriert, sie sei auf dem Land in Nord Kivu Ebola erlegen. Kein Quelle bestätigt das, nichts weiter als ein Gerücht. Aber muss man sich nicht doch irgendwie schützen, irgend etwas tun?

Die Welt ist ungerecht, im Kongo sowieso

Die Kollegen produzieren einen Radiospot zur Aufklärung über Ursachen der Krankheit, wie sie übertragen wird, und wie man sich schützen kann: Hygiene und Hände waschen, bitteschön! „Es kann bei uns nicht schaden, wenn man das den Leuten immer wieder sagt“, ist Programmchef Valéry Mukosasenge überzeugt. Im Zweifel helfe das, auch andere Krankheiten zu vermeiden. „Schließlich sterben bei uns viel zu viele Kinder an Durchfall und Infektionskrankheiten“, erzählt der Journalist.

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In der Stadt schert sich aber niemand um Ebola, alles geht seinen normalen Gang. Die Marktfrauen bieten Ananas und Avocado, Mais und Manjok feil. Der Supermarkt mit dem Namen „Jesus ist die Antwort“ besticht weiter durch seinen DDR haften Charme. Foto: hage

In der Stadt schert sich aber niemand um Ebola, alles geht seinen normalen Gang. Die Marktfrauen bieten Ananas und Avocado, Mais und Manjok feil. Der Supermarkt mit dem Namen „Jesus ist die Antwort“ besticht weiter durch seinen DDR haften Charme. Milch fehlt gerade in den Regalen, aber dafür ist eine Ladung Ölsardinen in Büchsen aus Marokko angekommen. Männer quälen sich mit dem Transport von Wasser-Kanistern oder anderen Lasten auf Fahrrädern oder dem für Goma typischen hölzernen Roller, dem Tschukudu. Über Ebola spricht niemand, dafür über den Raubmord an einem Motorradtaxi-Chauffeur. Das wievielte Opfer in diesem Jahr mag er sein?

An der Grenze zum Nachbarstaat Ruanda stehen allerdings schon ein paar Wochen lang Sanitäter mit Mundschutz und Gummihandschuhen herum. Sie messen bei allen Passanten die Körpertemperatur, seit in Ruanda ein deutscher Student unter Ebola-Verdacht stand. Es war ein Fehlalarm, aber die Sanitäter sind geblieben. Auf ruandischer Seite messen die Männer in den weißen Kitteln von morgens bis abends Fieber, streng nach Vorschrift, bis um 18 Uhr die Grenze schließt. Auf kongolesischer gehen sie manchmal schon vorher nach Hause.

Leiden wird der Kongo dennoch unter den Folgen der Ebola-Epidemie. Die Seuche in Westafrika verbreitet überall in der Welt Panik. Handelspartner kappen die Geschäfte mit afrikanischen Ländern, ganz egal wie weit sie vom Seuchengebiet entfernt sind. So hat beispielsweise Botswana erst vor kurzem mehreren Dutzend Lastwagenchauffeuren, die Kupfer aus dem Kongo nach Südafrika transportieren sollten, die Einreise verweigert. Der Transport war im Süden des Kongo gestartet, fast 2000 Kilometer von der Ebola-Region entfernt.

In Goma schütteln sie darüber den Kopf. Aber was soll man machen, die Welt ist ungerecht. Im Kongo sowieso. Aber das Leben geht weiter, irgendwie.